Fehlerteufel und Fehlerjäger

Sowohl an Korrektorinnen und Korrektoren als auch an deren Auftraggeber richtet sich das Handbuch Korrekturlesen. Autor Johannes Sailler stellt unter anderem den genauen Ablauf von Korrekturaufträgen und unterschiedliche Korrekturmethoden dar. In einem umfangreichen Glossar gibt er praktische Hinweise zu Fehlern, auf die Korrektorinnen und Korrektoren im Arbeitsalltag immer wieder stoßen.

Seit geraumer Zeit musste man ein aktuelles Werk zum Korrekturlesen missen. Diese Lücke hat nun Johannes Sailler mit seinem Handbuch Korrekturlesen geschlossen. Sailler war langjähriger Leiter des Korrektorats des Bibliographischen Instituts und verantwortlich für die Korrekturqualität der Marken Brockhaus, Duden und Meyers. Ferner war und ist er in der Korrektorenschulung tätig.

Das Werk richtet sich sowohl an Korrektoren und Korrektorinnen als auch an deren Auftraggeber und umfasst zwei implizite Teile. Im ersten Teil werden zunächst grundlegende Aspekte erörtert: der Leistungsumfang des Korrektorats sowie die erreichbare Qualität beim Korrekturlesen. Im Weiteren geht es um Erfolgsvoraussetzungen und Arbeitsweise beim Korrekturlesen, Korrekturzeichen, Korrekturmethoden, Zusammenarbeit und Kommunikation mit Auftraggebern sowie Korrekturvorbereitung, Korrekturablauf und Vergabe von Korrekturaufträgen.

Die reine Aufzählung der Themen macht schon deutlich, dass Sailler mit seinem Handbuch den Anspruch verfolgt, alle Aspekte des Korrekturlesens abzuhandeln – ein Anspruch, den er auch einlöst. Das Werk zeichnet sich durch eine immense Breite und Tiefe aus, es gibt so gut wie keine Frage, die offenbleibt: Von typischen Fehlern und den Schlichen des Fehlerteufels über Möglichkeiten und Grenzen von Korrektursoftware bis hin zur Organisation der Korrekturarbeit wird alles behandelt. Bei letztgenanntem Aspekt bringt der Autor ein Beispiel für die Aufteilung in verschiedene Arbeitsgänge. Das ist der einzige Punkt, wo man sich zwei, drei Beispiele mehr – gegebenenfalls unterschieden nach Textsorten – gewünscht hätte. Und bei dem einen oder anderen Detail, wie der Haftung oder der Reichweite des Korrektorats bzw. seiner Abgrenzung zum Lektorat, kann man sicherlich etwas anderer Meinung sein.

Eine Stärke des Buches sind die zahlreichen Beispiele und Zitate, die manchmal ein kleines Schmunzeln, manchmal fassungsloses Kopfschütteln bewirken, aber immer treffend und lehrreich sind. Gelungen ist auch der Brückenschlag zwischen dem traditionellen Korrektorat und dem heutigen in Zeiten der Digitalisierung. Immer wieder macht Sailler hinsichtlich der Aufgaben und Abläufe deutlich, was nach wie vor Bestand hat, was hinfällig geworden ist und was neu hinzugekommen ist.

Der zweite Teil, bestehend aus einem Glossar, Vorlagen und dem üblichen Anhang, macht die andere Hälfte des Buches aus. „Glossar“ ist eine bescheidene Untertreibung, denn es werden nicht nur Wörter erklärt, sondern auch bei allen korrekturrelevanten Lemmata Hinweise gegeben, worauf bei der Korrektur (besonders) zu achten ist. Die unvermeidlichen Redundanzen stören keineswegs, sondern erlauben es, bei jedem einzelnen Problem zielgerichtet nachzuschauen: Welche Anführungszeichen gehören sich bei fremdsprachigen Zitaten? Setzt man einen Schlusspunkt, wenn der Satz mit einer URL endet? Was muss man bei Datenkonvertierungen beachten? Welche Besonderheiten gibt es bei Zahlenangaben? Hilfreich sind auch die Vorlagen für Korrekturaufträge sowie Text- und Satzproben, die gleichermaßen als Checklisten dienen können.

Bei einem Buch über das Korrekturlesen müssen natürlich Fehler angesprochen werden. Vorsorglich hat der Autor im Vorwort angemerkt, dass der Fehlerteufel seinem Werk wohl besondere Aufmerksamkeit widmen werde. Das sei Johannes Sailler zugestanden: Wer als Fehlerjäger den Fehlerteufel so engagiert bekämpft wie er, darf sich nicht wundern, wenn ihn der Fehlerteufel auf dem Kieker hat. Und tatsächlich hat dieser seine Chance genutzt und die gesamte Palette der Fehlerarten, vom Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler über den Grammatikfehler und Typografiefehler bis hin zur mangelnden formalen Einheitlichkeit, ausgereizt und mindestens drei Dutzend Fehler eingestreut! Zur Ehrenrettung des Autors und der Korrektorinnen sei erwähnt, dass es sich – im Sprachgebrauch Saillers – stets um lässliche und nicht um gravierende Fehler handelt. Gleichwohl, sie sollten bei einer etwaigen Überarbeitung möglichst getilgt werden, da sie den recht guten Gesamteindruck etwas trüben.

Für alle, die Korrektur lesen, ist dieses Buch eine Pflichtlektüre, insbesondere für Anfänger. Auch erfahrene Korrektoren und Korrektorinnen werden darin das eine oder andere finden, was sie sich noch nicht angeeignet haben, aber wissen und beherzigen sollten. Und Auftraggeber können sich kundig machen, was Korrektorat eigentlich bedeutet, warum es wichtig ist und worauf sie bei der Auftragsvergabe achten sollten. So können beide Seiten Missverständnisse vermeiden und zu einer reibungslosen und gedeihlichen Zusammenarbeit gelangen. In diesem Sinne ist dem Werk eine möglichst weite Verbreitung zu wünschen.

Joachim Fries’ Website und Profil im Lektorenverzeichnis

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