Idealismus vermeidet Krise des Lektorats?

Schon lange nicht mehr so gelacht! Denis Scheck beschreibt, wie er als Kind literarisch sozialisiert wurde. Seine Lieblingslektüre, SF- und Fantasy-Übersetzungen aus dem Amerikanischen, waren dermaßen schludrig gemacht und willkürlich gekürzt, dass der Dreizehnjährige sich kurzerhand dachte: Das kann ich auch! Er bewarb sich um eine freie Mitarbeit bei einem Verlag. Erfolgreich.

Nicht immer so einfach, nicht immer so witzig und in jedem einzelnen Fall anders gestaltete sich der Berufseinstieg und die weitere Tätigkeit von zehn Lektorinnen und Lektoren, deren Aufsätze in diesem Band versammelt sind. Dieter Wellershoff macht den Beginn; VFLL-Kollegin Momo Evers kommt ebenso zu Wort wie Herausgeber Gunther Nickel.

Weniger analytisch denn anekdotenhaft, anhand individueller Erfahrungen und der eigenen Berufsrealität, nähern sich die Autoren dem Thema Lektorat. Das ganze Spektrum der Tätigkeit wird bei weitem nicht abgedeckt. Und auch die Antwort auf die Titelfrage bleibt das Buch schuldig. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Idealismus der Lektorinnen und Lektoren nach wie vor stärkste Kraft ist, um die Krise aufzuhalten. Und das muss angesichts der Honorare bedenklich stimmen. Dennoch ist die Lektüre äußerst bereichernd für alle, die den eigenen Beruf nicht nur ausüben, sondern auch reflektieren.

Sibylle Strobel, Berlin

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