Gendern

Alle Geschlechter sollen gleichermaßen einbezogen und angesprochen werden. In diesem Punkt besteht Konsens. Unterschiedliche Auffassungen gibt es zum Wie.

Die beiden grundlegenden Streitpunkte

Ein Streitpunkt liegt darin, was die männliche Form leisten kann. Schließt sie als sogenanntes „generisches“ Maskulinum die anderen Geschlechter neben den Männern mit ein oder nicht? Dabei geht es nicht um die Absicht der Autor*in, entscheidend ist die Wirkung des sprachlichen Ausdrucks auf die Leser*innen bzw. Zuhörer*innen: Fühlen sich alle gleichermaßen angesprochen und einbezogen?

Der zweite große Diskussionspunkt betrifft vor allem die Formen des Genderns mit Gendernzeichen. Dagegen besteht beim Gendern mit neutralen Begriffen und durch Umformulieren kaum Diskussionsbedarf, es wird von den meisten Leser*innen, Zuhörer*innen sowie Diskutant*innen gar nicht als Gendern wahrgenommen.

Personenbezeichnungen mit Gendernzeichen rufen jedoch Fragen hervor: Entsprechen sie den amtlichen Regeln, die der Rechtschreibrat herausgibt? Was ist vielleicht nicht ganz regelkonform, aber trotzdem gut vertretbar? Was ist in den amtlichen Regeln eventuell gar nicht geregelt?

Wir Lektor*innen weichen mit unseren Meinungen in diesem Punkt in unterschiedlichen Graden voneinander ab.

Der Rechtschreibrat hat zu Sonderzeichen und zur geschlechtergerechten Schreibung jeweils eine Pressemitteilung veröffentlicht (Stand: 2023/24). Oft werden sie als Ablehnung interpretiert; tatsächlich gibt das Gremium lediglich noch keine Empfehlung. Zitat: „Der Rat für deutsche Rechtschreibung wird die weitere Schreibentwicklung beobachten, denn geschlechtergerechte Schreibung ist aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und der Schreibentwicklung noch im Fluss.“

Gendernlösungen

Ich persönlich halte das Gendern von Texten für wichtig, obwohl es nicht dilemmafrei ist. Das Gendern mit Gendernzeichen ist ohne größere Probleme mit den Rechtschreib- und Grammatikregeln vereinbar und ins Mündliche überführbar. Voraussetzung ist allerdings, das Gendernzeichen nicht als Schrägstrich in anderer Form zu betrachten. Behandelt mensch Personenbezeichnungen mit Gendernzeichen als ein neues, eigenständiges Wort mit grammatischem Genus Femininum, so stehen Artikel, Adjektive und Pronomen entsprechend im Femininum und benötigen selber kein Gendernzeichen mehr. Zum Beispiel: „Eine erfahrene Ärzt*in zu haben, die sogar noch Hausbesuche macht, ist Gold wert.“

Personenbezeichnungen mit Gendernzeichen bleiben stark im Binären verhaftet. Deshalb wird parallel mit neutralen Personenbezeichnungen, Artikeln und Neopronomen experimentiert. Wahrscheinlich dauert es noch etwas, bis sich diese neuen Formen im allgemeinen Sprachgebrauch verbreiten.

Warum gendern? Die Vorteile

Etwas zugespitzt lassen sich die Vorteile des Genderns wie folgt skizzieren: Gendern macht es möglich, dass sich die Realität in der Sprache wiederfindet, dass also Frauen und diverse Menschen sichtbar sind. Damit setzt sinnvolles Gendern voraus, die realen Verhältnisse zu kennen; ein Fehlen oder eine Unter- bzw. Überrepräsentanz eines Geschlechts würde sich sprachlich niederschlagen müssen.

Zweitens kann die sprachliche Sichtbarmachung der realen Gegebenheiten zu einer schnelleren faktischen Gleichstellung aller Geschlechter beitragen. – Statt des Worts Gendern wird deshalb auch der Begriff geschlechtergerechte Sprache verwendet.

Ihr Anliegen als Kundin, Kunde, Kund*in – eine passende Form

Die öffentliche Diskussion um das Gendern ist teils emotional sehr aufgeladen. Lassen Sie sich davon nicht irritieren. – Sie brauchen eine passende Lösung für Ihren ganz konkreten Text und Ihre Zielgruppe.

Sprechen Sie deshalb mit Ihrer Lektor*in. Lassen Sie sich beraten, welcher Grad und welche Form(en) des Genderns zu Ihrer Textsorte, zu Ihnen und zu Ihrem Anliegen passen. Und holen Sie sich gern eine Zweit- oder auch Drittmeinung ein. Das ist völlig legitim. Unterschiedliche Auffassungen gibt es bei uns wie in allen Berufen.

Angelika Pohl, www.angelika-pohl.de

Profil im VFLL-Verzeichnis

Weitere Informationen zu Hintergründen und Möglichkeiten der geschlechtergerechten Sprache finden Sie hier.