Als Post-Editing wird die Bearbeitung einer Übersetzung bezeichnet, die von Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt wurde. Während diese Bezeichnung suggeriert, es handele sich dabei um eine Tätigkeit, die hinter dem Lektorat steht, ähnelt sie im Arbeitsaufwand tatsächlich eher einer Neu-Übersetzung als einem Übersetzungslektorat. Das Post-Editing steht also vor dem Lektorat.
Für Verlage und andere Auftraggebende, die üblicherweise ein Honorar für eine Übersetzung und ein weiteres für das Lektorat dieser Übersetzung zahlen, liegt wirtschaftlicher (An-)Reiz in der Idee, den höheren dieser beiden Posten einzusparen und nur noch eine Dienstleistung in Auftrag zu geben. Die kostengünstige Maschine soll dabei zur Übersetzerin werden und der Post-Editor zum Lektor.
Die redaktionelle Bearbeitung von maschinengenerierten Texten ist allerdings um ein Vielfaches aufwändiger als die Bearbeitung von Texten, die von Menschen geschrieben oder übersetzt wurden, da die KI andere Fehler macht als Menschen. Es braucht spezifische Kenntnisse dieser Fehlerarten, insbesondere für normgerechtes Post-Editing nach ISO 18587 wird eine einschlägige Übersetzungsqualifikation gefordert. Im Post-Editing fehlt auch das Gegenüber, mit dem wir im Lektorat gemeinhin Verständnisfragen oder auch begriffliche und ethische Fragen zum Text diskutieren. Die kreativ-beratende Tätigkeit des Lektorats wird somit zu einer schöpferischen Eigenleistung. Ergo wächst im Vergleich zum Übersetzungslektorat nicht nur die Arbeitsbelastung, sondern auch die Verantwortung für den Text, erst recht, wenn dieser im Anschluss an das Post-Editing nicht mehr lektoriert wird.
Wer im Freien Lektorat Post-Editing-Aufträge übernimmt, sollte im Hinblick auf die Honorarkalkulation bedenken, dass der Zeitaufwand eher im Bereich der Übersetzungsleistung liegen wird. Bei Texten, die eine Schöpfungshöhe haben, entsteht im kreativen Post-Editing zudem wahrscheinlich ein urheberrechtlicher Schutz, sodass Nutzungsrechte vertraglich eingeräumt werden müssen und Tantiemen fällig werden.
Im VFLL setzen wir uns gemeinsam mit den Übersetzerverbänden des DACH-Raums dafür ein, dass hier keine neuen Standards zum Nachteil der kreativen Textdienstleistenden gesetzt werden. Daher unbedingt bedenken: Post-Editing ist kein Übersetzungslektorat!
Johanna Schwering