Übersetzungslektorat

Als Lektor*innen wissen wir um die Unsichtbarkeit unseres Nischenberufs. Doch das Übersetzungslektorat ist die Nische in der Nische. Denn nicht nur originalsprachliche Texte erhalten ein Lektorat, sondern in der Regel auch Übersetzungen. Hinter einer starken Übersetzung steht oft auch ein starkes Übersetzungslektorat. Dabei verschiebt sich der Fokus der Arbeit: Geht es bei originalsprachlichen Texten stärker um Inhalt und Aufbau, drehen sich Übersetzungslektorate eher um Stil, Register und Adäquatheit der Übersetzung.

Wie Übersetzungslektorate ablaufen, kann ganz unterschiedlich sein. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie beinhalten eine stilistische und sprachliche Überarbeitung des Textes. Sie sind der erste Schritt nach Abgabe der Übersetzung. Zum ersten Mal schaut ein weiteres Paar Augen auf den Text, bei dem auch die beste Übersetzer*in irgendwann betriebsblind geworden ist.

Ein Übersetzungslektorat kann im Abgleich mit dem Originaltext stattfinden, um potenzielle Abweichungen aufzuspüren, oder das Original nur stichprobenartig heranziehen, um sich stärker auf die Idiomatizität und Wirkung der Übersetzung zu fokussieren. Es ist durchaus möglich, Übersetzungen zu lektorieren, ohne die Sprache des Ausgangstextes zu beherrschen – die Regel ist das allerdings nicht.

Wie beim Lektorat von Originalmanuskripten ist die Dynamik zwischen Urheber*in (hier: Übersetzer*in) und Lektor*in sehr sensibel, insbesondere bei Texten mit Schöpfungshöhe. Hier sollten Übersetzer*innen immer das letzte Wort haben, und gerade im Bereich der Literaturübersetzung muss das Lektorat die künstlerischen Entscheidungen der Übersetzer*innen respektieren und würdigen. Gleichzeitig sollte die Lektor*in die Vorgaben der Auftraggebenden nicht vernachlässigen, z. B. Kürzungs- oder Vereinheitlichungswünsche, diskriminierungssensible Sprache oder weitere Vorgaben. So kann das Übersetzungslektorat zum Drahtseilakt werden.

Weiterführende Informationen zum Übersetzungslektorat bietet das „Handbuch Übersetzungslektorat“, das in Kooperation mit dem VFLL beim BDÜ Fachverlag erschienen ist.

Katharina Herzberger, www.katharina-herzberger.de

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