Ein Spaziergang durch die Sprachwissenschaft

Dafür, dass der Autor uns zunächst nur auf eine „Promenade“ mitnehmen will, ist sein grundsätzlicher Anspruch recht hoch: „Ein erhöhtes Sprachbewusstsein“, schreibt er in der Einleitung, „kann auf einen Weg zum Frieden führen – mit anderen, aber auch mit sich selbst – und damit zu einem erfüllten Leben.“

Das Buch wendet sich als unterhaltsames Einstiegswerk in erster Linie an sprachwissenschaftliche Laien. Es will vor allem neugierig machen auf Sprache und die Reflexion über sie. Entsprechend hat es für Philologen kaum grundsätzlich Neues zu bieten; jedoch finden sich immer wieder lesenswerte Anekdoten, zum Beispiel, wenn sich bei David Humes Lebensgeschichte Ereignisse auftun, die überraschend gut zur gegenwärtigen Urheberrechtsdebatte zu passen scheinen …

Wie der Titel verspricht, erläutert Alwin Frank Fill, Professor für englische Sprachwissenschaft an der Universität Graz, die Grundlagen der Linguistik anhand von Positionen historischer und gegenwärtiger Denker und Denkerinnen. Er fängt nicht erst bei der Begründung der modernen Sprachwissenschaft durch de Saussure an, sondern in der klassischen Antike, bei Platon und den Sophisten, die bereits allerhand über die manipulatorische Kraft der Sprache wussten.

Die „Promenade“ führt die Leser weiter zur erkenntniskritischen Sprachphilosophie der Aufklärung, zur klassischen historischen Sprachwissenschaft und der Suche nach der Ursprache. Die Frage, inwiefern Sprache unser Denken beeinflusst und begrenzt, wird immer wieder thematisiert, die sogenannte Sapir-Whorf-Hypothese anhand neuerer Forschungen kritisch gewürdigt. Bei Wittgenstein und seinen Nachfolgern zeigt Fill den Weg von der modernen Erkenntniskritik zur Pragmatik auf.          

Die unterhaltsame Anekdotenform hat naturgemäß auch ihre Nachteile: Bei manchen nebenher gesagten, interessanten Anmerkungen wäre eine empirische Quelle wünschenswert. Als Beispiel sei die jüngste Entwicklung in der Gender-Frage nach der „Hoch-Zeit des Feminismus“ (Fill) in den 1980ern und -90ern genannt.

Ein empfindlicher Störfaktor bei der Lektüre ist die doch recht hohe orthografische Fehlerquote. Das ist auch insofern bedauerlich, als an manchen Stellen unklar bleibt, ob bestimmte Idiosynkrasien wie „Er und Sie“ eventuell beabsichtigt sind.

Wer übrigens als Student die Linguistik nicht sonderlich mochte und lediglich zwangsweise neben Literatur- und Kulturwissenschaft belegte, freut sich vielleicht über das Eingeständnis eines Fachmanns, dass Sprachwissenschaft eine gewisse eher trockene Seite hatte und noch hat. Doch zugleich bricht Fill eine Lanze für die gegenwärtige Linguistik, indem er die spannenden, kontroversen und unterhaltsamen Seiten dieser Wissenschaft anschaulich macht.

Dabei spielt das bewährte Sex-and-Crime-Modell eine gewisse Rolle: So befasst sich ein Kapitel mit dem „Aphrodisiakum Sprache“. Auch die Funktion der sprachlichen Mittel bei der Entstehung und Bewältigung von politischen Konflikten wird anhand von prägnanten Beispielen erörtert; selbst die Beziehung von Sprache und Ökologie spricht Fill an. Seinem Anspruch, neugierig zu machen auf eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Phänomen Sprache, wird der Autor durchaus gerecht.

Dirk Müller, Braunschweig

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