Insiderwissen Kinderbuch
Ulrich Störiko-Blume war jahrzehntelang in Publikumsverlagen für Kinder- und Jugendliteratur tätig, bevor er 2015 die Seite wechselte und eine Verlagsagentur gründete. Sein umfassendes Wissen ist in sein Buch Kinder- und Jugendbuchverlage: Macher, Märkte, Medien eingeflossen. Vom Überblick über den Markt bis hin zu konkreten Beispielen zu der Arbeit in den Verlagen bietet es einen großen Rundumblick. Vor allem für Einsteiger*innen in die Branche – auch im freien Lektorat – ist das Buch sehr nützlich.
2010. Ich bin Mitte zwanzig und habe soeben mein Volontariat in einem renommierten Kinder- und Jugendbuchverlag begonnen. Als ich in einer Verlagskonferenz nach dem „Frühlingsprogramm“ frage, kicherte die erfahrene Kollegin neben mir in sich hinein (es heißt „Frühjahrsprogramm“ – weshalb diese Unterscheidung so wichtig ist, konnte mir allerdings bis heute niemand erklären). Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, wäre ich froh gewesen, abends in meiner kleinen Einzimmerwohnung in einem Buch wie Kinder- und Jugendbuchverlage: Macher, Märkte, Medien zu blättern und mir so einen ersten Überblick über die Branche zu verschaffen.
Der Autor des Buchs, Ulrich Störiko-Blume, ist ein alter Hase der Kinderbuchbranche. Jahrzehntelang arbeitete er in verschiedenen großen Publikumsverlagen, teils in leitenden Positionen. 2015 wechselte er ins Agenturgeschäft und sitzt seitdem auf der anderen Seite des Schreibtischs. Auf jeden Fall ist er einer, der die deutsche Kinderbuchlandschaft wie kaum ein anderer kennt. Viel von diesem Fachwissen steckt in dem vorliegenden Band. Das beginnt mit aktuellen Studienergebnissen zur Leseforschung (was und wie viel lesen Kinder überhaupt?) und Zahlen zum Kinderbuchmarkt (welchen Anteil macht die Kinderliteratur am Branchenumsatz aus?), beschreibt die Arbeit im Verlag (wie wird eigentlich entschieden, welcher Originalstoff oder welche Lizenz eingekauft wird?) und der einzelnen Berufsgruppen (was macht ein Key Account Manager und was eine Verlagsvertreterin?) und führt bis hin zu sehr konkreten Beispielen für eine Buchkalkulation oder einen Autorenvertrag. Vieles davon lässt sich auf die Arbeit in anderen (belletristischen) Verlagen übertragen; der Schwerpunkt liegt aber immer im Bereich Kinder- und Jugendbuch und die vielen O-Töne stammen von Größen der Branche.
Kinder- und Jugendbuchverlage: Macher, Märkte, Medien verschafft einen hilfreichen ersten Überblick über die Kinderbuchbranche. Empfehlen möchte ich das Buch daher in erster Linie Nachwuchskräften, die über eine erste Anstellung in der Branche nachdenken oder schon mittendrin stecken (siehe oben). Tatsächlich ist das Buch in Hinblick auf diese Zielgruppe entstanden; in einem Interview mit dem Branchenmagazin Buchmarkt erzählt der Autor, dass er nach einem Vortrag am Institut für Jugendbuchforschung an der Universität Frankfurt darauf angesprochen wurde, ob er sein Wissen nicht in Buchform gießen wolle – er wollte.
Doch auch freie Lektor*innen, die sich für das Lektorat von Kinder- und Jugendbuchbüchern interessieren, jedoch noch keine praktische Erfahrung sammeln konnten, werden sicherlich neue Erkenntnisse mitnehmen. Dasselbe gilt für diejenigen, die direkt ins freie Lektorat gestartet sind und die Prozesse innerhalb eines Verlags genauer kennenlernen möchten – denn die Arbeitsabläufe in einem Kinder- und Jugendbuchverlag werden detailliert geschildert. Das hilft beim Verständnis, weshalb die Verlagslektor*innen ticken, wie sie ticken, und erklärt, was nach der Manuskriptabgabe im Verlag passiert. Wer bereits länger im Bereich Kinder- und Jugendbuchlektorat arbeitet, wird dagegen bis auf ein paar aktuelle Zahlen nicht viel Neues mitnehmen – das ist nicht schlimm, denn er oder sie ist nicht die Zielgruppe des Buchs.
Am Ende bleibt nur eine kleine Kritik: Nach meiner Einschätzung schimmert immer mal wieder eine konservative Haltung durch die Zeilen. Sei es in Hinblick auf die Entwicklung des Buchmarkts, vor allem aber in der sprachlichen Gestaltung. Ulrich Störiko-Blume gendert bewusst nicht, obwohl er gleichzeitig betont, dass die Buchbranche und insbesondere die Kinderbuchbranche stark weiblich geprägt ist. Lediglich im Kapitel über das Lektorat ist dann plötzlich von „Lektorinnen“ die Rede – und die „Assistentinnen“ sind natürlich auch ausschließlich weiblich. Bei mir als Rezensentin bleibt da ein schaler Nachgeschmack. Doch das ist meine persönliche Meinung und schmälert nicht das Fachwissen, das in diesem Buch steckt.
Online erhältlich zum Beispiel im Autorenwelt-Shop und bei buch7.de.
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