Was kommt nach dem Sternchen*?

Das Praxis-Handbuch „Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht?“ von Lann Hornscheidt und Ja’n Sammla gibt einen guten Überblick über das Spektrum der verschiedenen, konkreten Möglichkeiten, die zurzeit debattiert werden. Das Besondere: Zusätzlich erläutert und nennt es sprachliche Alternativen jenseits von binär und divers, jenseits von Geschlecht. Das ist äußerst bereichernd und sensibilisiert.

Gendern-Leitfäden befassen sich mit den Möglichkeiten, dem Gendern im Maskulinum zu entkommen. Die Formen unterscheiden sich grob gesagt in unscheinbare und bekennende. „Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht?“ ist für die Praxis geschrieben, geht aber darüber hinaus.

Lann Hornscheidt und Ja’n Sammla machen in ihrer Einleitung deutlich, dass sie nicht nur eine Praxisanleitung geschrieben haben, sondern dass sie gleichzeitig einen Diskussionsbeitrag liefern. Hornscheidt tat dies bereits mehrfach und durchaus wirksam während ens Professur an der Humboldt-Universität. Auf Seite 16 heißt es: „Wir haben dieses Praxis-Handbuch geschrieben, um allen Menschen, die diskriminierungskritisch kommunizieren möchten, Ideen, Inspiration und Vorschläge zu geben, wie dies in Bezug auf Geschlecht möglich ist.“ Und weiter: „Wir teilen hier unsere Ideen, Wünsche und Überlegungen. Nichts davon ist in Stein gemeißelt. Es ist ein Ausdruck unserer Reflexionen, unseres Sprachgebrauchs und unserer Visionen.“

Work in Progress. Und ja, einige Vorschläge, wie einige Verwandtschaftsbezeichnungen, sind mir noch(?) fremd, denn sie fordern bisheriges Denken heraus. Aber ist das nicht genau der Sinn der Sache? Neben dem Sichtbarmachen aller Geschlechter sind doch weitere Ziele das Aufspüren, Hinterfragen, Aufbrechen, Vermeiden von Stereotypen.

Hornscheidt und Sammla besprechen die unterschiedlichen Anforderungen ans Gendern und sie gehen auf konkrete Textformen wie Stellenausschreibung, Formular oder Dienstleistungskommunikation ein, aber z. B. auch auf Lieder oder Erzählungen. Sie tun dies anschaulich.

Für wen ist das Buch?

Ganz dringend für alle, die Leitfäden für Unternehmen und Verwaltung schreiben oder sonst wie in Entscheidungsprozesse diesbezüglich eingebunden sind.

Für alle, die geschlechtergerechten Sprachgebrauch begrüßen, aber bislang nicht über den Sternchenhorizont hinausgeblickt haben.

Und natürlich für Textex, Lektorens, Journalistys, sprich für alle Spracharbeit*erinnen.

Last, not least für diejenigen, die sich bei der Ode an die Freude schon immer ausgeschlossen fühlten.

Fazit

Kaufen, lesen, mitdenken – so meine Empfehlung.

Geschlechtergerechtes Schreiben braucht für eine Weile noch die Sichtbarmachung, und in diesem Handbuch finden sich viele praktikable Möglichkeiten für diesen Zweck, inklusive Sternchen und Umformulierungen.

Aber es soll ja eine Zeit kommen, in der das Geschlecht im Grunde keine Rolle mehr spielt und in der wir folglich genderneutrale bzw. genderfreie Sprachvarianten brauchen. Das sollte schon heute mitgedacht werden und will vorbereitet sein. Und auch dafür finden sich hier viele Vorschläge, die selbstverständlich ab sofort angewendet werden können.

Ich selbst probiere in der privaten und beruflichen Kommunikation ab und an aus, genderfrei zu sprechen und zu schreiben. Das öffnet. Ans „y“ habe ich mich – und meine Kundys und Freundys, hoffe ich – schon weitestgehend gewöhnt. Als Nächstes will ich verstärkt mit „ens“ üben. Liebe Lesens, noch ist Gendern ein Experimentierfeld. Seien Sie also gelassen und tun Sie mit. Dieses Handbuch zeigt Ihnen Wege und unterstützt mit Begründungen.

Online erhältlich zum Beispiel direkt beim Verlag w_orten & meer und im Shop der Autorenwelt.

Angelika Pohl: Website und Profil im VFLL-Verzeichnis lektor-in-finden.de

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